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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 04.07.2002
Aktenzeichen: 16 UF 25/02
Rechtsgebiete: BRAGO, BGB, ESTG, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 130
BGB § 1570
BGB § 1615 I
BGB § 1586 Abs. 1
BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1615 I Abs. 1 S. 1
BGB § 1615 I Abs. 2 S. 1
BGB § 1615 I Abs. 2 S. 2
BGB § 1586 Abs. 1 2. Alt.
BGB § 1586 Abs. 1 1. Alt.
ESTG § 31 S. 1
ZPO § 92
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 Abs. 2
1. § 1586 Abs. 1, 1. oder 2. Alt., BGB findet keine entsprechende Anwendung auf den Fall, dass ein nach § 1615 I BGB unterhaltsberechtigter Elternteil nach Entstehen dieses Unterhaltsanspruches eine Ehe oder Lebenspartnerschaft eingeht.

2. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines nach § 1615 I BGB Unterhaltspflichtigen ist der (vorrangige) Kindesunterhalt für das gemeinsame Kind nur mit dem Zahlbetrag vom verfügbaren Einkommen abzuziehen, soweit der Mindestbedarf des Unterhaltsberechtigten in Frage steht.


Oberlandesgericht Stuttgart - 16. Zivilsenat - - Familiensenat -

Im Namen des Volkes Teilanerkenntnis- und Schlussurteil

Geschäftsnummer: 16 UF 25/02

In der Familiensache

wegen Unterhalts

Verkündet am: 04. Juli 2002

hat der 16. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

...

auf die mündliche Verhandlung vom 13.06.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Geislingen vom 28.12.2001 wie folgt

abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Ziff. 2

a) rückständigen Unterhalt für die Zeit vom 24.07.2000 bis 30.06.2002 von 2.830,-- € nebst 4 % Zinsen aus 3.475,-- € für die Zeit vom 02.09. bis 26.10.2001 und aus 1.783,-- € seit 27.10.2001, fällig sofort, und

b) laufenden Unterhalt für die Zeit vom 01.07.2002 bis 04.09.2003 von monatlich 115,-- €, fällig monatlich im Voraus, zu bezahlen.

Die weitergehende Klage der Klägerin Ziff. 2 wird abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird zugelassen.

Berufungsstreitwert: 6.982,-- €

I.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug nur noch um Betreuungsunterhalt für die Klägerin Ziff. 2 gem. § 1615 I BGB, nachdem die Klage auf Kindesunterhalt für die Klägerin Ziff. 1 noch vor dem Familiengericht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist. Das Familiengericht hat der jetzt 19-jährigen Klägerin Ziff. 2 (im Folgenden nur: Klägerin) rückständigen Unterhalt für die Zeit vom 24.07.2000 (sechs Wochen vor Geburt der Klägerin Ziff. 1) bis 31.12.2001 von insgesamt 7.040,-- DM und ab 01.01.2002 bis 04.09.2003 (Vollendung des dritten Lebensjahrs des Kindes) laufenden Unterhalt von monatlich 735,-- DM zugesprochen. Der Beklagte beantragt Klagabweisung. Die Klägerin anerkennt den Berufungsantrag insoweit, als eine Herabsetzung des ihr zugesprochenen Unterhalts für die Zeit vom 29.05.2002 bis 04.09.2003 auf monatlich 187,50 € verlangt wird, und beantragt im Übrigen, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Streitstand in erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils (die sich teils auch in den Entscheidungsgründen finden) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die im Berufungsverfahren getroffenen Feststellungen führen zu folgenden Änderungen und Ergänzungen im Tatsächlichen:

a) Die Überprüfung der Einkommensbelege des Beklagten ergibt, dass sein Einwand zutrifft, dass sein Nettoeinkommen sowohl vor als auch nach Reduzierung seiner Schichttätigkeit sich auf monatsdurchschnittlich 3.239,-- DM belaufen hat. Er wohnt in Geislingen, seine Arbeitsstelle liegt im 12 bis 15 km entfernten Eislingen, so dass er berufsbedingte Aufwendungen zumindest in Form von Fahrtkosten zur Arbeit hat. Er fährt mit dem eigenen Pkw zur Arbeit. Würde er mit der Bahn fahren, müsste er für die Monatskarte monatlich 114,-- DM aufbringen.

b) Im vorausgegangenen Kindschaftsprozess zwischen den Parteien sind dem Beklagten, der als Vater der Klägerin Ziff. 1 festgestellt wurde, die Verfahrenskosten auferlegt worden. Die Landesoberkasse hat dem Beklagten eine Kostenrechnung über rund 6.330,-- DM übersandt. Hiervon entfallen rund 969,-- DM auf die nach § 130 BRAGO auf die Landeskasse übergegangenen Ansprüche auf Vergütung des Rechtsanwalts der Klägerin, bei den übrigen Kosten handelt es sich um Gerichtsgebühren und Sachverständigenentschädigung. Der Beklagte zahlt die Kostenschuld seit November 2001 mit monatlich 150,-- DM ab.

c) Um seine gesetzliche Wehrpflicht in der Türkei abzukürzen (auf einen Monat statt sonst obligatorischer rund zwei Jahre), hat sich der Beklagte "freigekauft". Eine erste Zahlung von 2.500,-- DM ist im Dezember 2001 erfolgt, weitere Zahlungen von insgesamt noch 7.500,-- DM stehen noch aus. Die Zahlung im Dezember 2001 haben die Eltern des Beklagten für ihn geleistet. Der Beklagte stellt dies so dar, dass eine Rückzahlung an die Eltern mit 200,-- DM monatlich vereinbart sei, die Eltern jedoch die bisher geschuldeten Darlehensraten schenkweise erlassen hätten.

d) Die Klägerin lebt seit Anfang 2002 mit ihrem neuen Ehemann, Herrn A., zusammen, den sie am 11.01.2002 geheiratet und dem sie am 28.05.2002 ein Kind K geboren hat. Sie ist weiterhin ohne Erwerbseinkommen. Herr A. ist ebenfalls 19 Jahre alt und erst seit 14.01.2002 erwerbstätig. Er erzielt aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit ein Nettoeinkommen von 1.312,-- € monatlich und ist mit Schulden für die Anschaffung eines Pkw belastet, auf die er monatlich 126,-- € abbezahlt. Ob er künftig Sonderzuwendungen (Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) erhält, war bei Schluss der mündlichen Verhandlung nicht bekannt.

e) Nach seinen von der Klägerin mit Nichtwissen bestrittenen Angaben hat der Beklagte zum 01.06.2002 seine Arbeitsstelle aus betriebsbedingten Gründen verloren. Er habe eine Abfindung von brutto 3.000,-- € zu erwarten. Er beabsichtige, zunächst den einmonatigen Wehrdienst abzuleisten, und geht davon aus, dass er in Kürze einen neuen Arbeitsplatz mit vergleichbarem Einkommen wie an der letzten Arbeitsstelle finden könnte.

f) Die Klägerin bestreitet die Feststellung des Familiengerichts, dass der Beklagte außer der unstreitigen Zahlung von 8.000 DM im Oktober 2001, die zur Erfüllung rückständigen Kindesunterhalts und in überschießender Höhe zur Erfüllung des Anspruchs der Klägerin auf Betreuungsunterhalt dienen sollte, eine weitere Zahlung von 360 DM auf Kindesunterhalt für Oktober 2001 geleistet habe. Deshalb sei von der Gesamtzahlung von 8.000 DM ein um 360 DM geringerer Betrag auf den Betreuungsunterhalt zu verrechnen. Der Beklagte hat für das Gegenteil keinen Beweis angetreten.

II.

Entscheidungsgründe:

Die rechtzeitig eingelegte und sogleich begründete Berufung des Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg, und zwar hinsichtlich des Zeitraums 2002 noch über die von der Klägerin zugestandene Unterhaltsermäßigung hinaus.

1. Der Unterhaltsanspruch der Klägerin dem Grunde nach gem. § 1615 I Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 und 2 BGB ist jedenfalls hinsichtlich des Zeitraums bis zu ihrer Heirat am 11.01.2002 unstreitig, ebenso jedenfalls bis zur Begründung einer häuslichen Gemeinschaft mit ihrem späteren Ehemann der vom Familiengericht angenommene (Mindest-)Bedarf von 1.425,-- DM. Für die Zeit ab Januar 2002 geht der Senat wegen der hiermit verbundenen Ersparnisse in der Lebensführung von einem verminderten Bedarf von nur noch 525,-- € aus.

2. Ebenfalls unstreitig ist die volle Bedürftigkeit der Klägerin für die Zeit bis zu ihrer Heirat.

3. Für die Zeit nach Eheschließung geht der Senat vom Fortbestand der Unterhaltspflicht des Beklagten dem Grunde nach aus (dazu sogleich a). Die Haftungsreihenfolge zwischen dem Beklagten und Herrn A. bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil beide nur so eingeschränkt leistungsfähig sind, dass selbst die zusammengerechneten Mittel, die jeder von ihnen für den Unterhalt der Klägerin erübrigen kann und muss, nicht ausreichen, deren Bedarf zu decken (dazu unten b).

a) Nach einhelliger Meinung können auf der Ehe beruhende Unterhaltsansprüche nach §§ 1361, 1569 ff. BGB und Unterhaltsansprüche (gegen einen anderen Schuldner) gem. § 1615 I BGB nebeneinander bestehen, wenn die Letzteren erst entstehen, nachdem Erstere bereits bestanden haben (vgl. nur BGH, FamRZ 1998, 541 ff.). Soweit in Rechtsprechung und Literatur überhaupt problematisiert, soll dies auch gelten, wenn die Eheschließung, die Ansprüche auf Ehegattenunterhalt begründet, erst erfolgt, nachdem Unterhaltsansprüche gem. § 1615 I BGB bereits entstanden sind (OLG Schleswig, FamRZ 2000, 637; OLG München, OLGR 2002, 144; zustimmend Wever, FamRZ 2002, 581, 589).

Der Beklagte hält diese Auffassung für verfassungswidrig und verweist auf § 1586 Abs. 1, 1. und 2. Alternative, BGB, wonach Ansprüche auf Ehegattenunterhalt ausnahmslos (auch soweit sie auf § 1570 BGB - Kindesbetreuung - beruhen) erlöschen, wenn der Berechtigte wieder heiratet oder eine Lebenspartnerschaft begründet. Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt einer Mutter, die mit dem Vater des von ihr betreuten Kindes nicht verheiratet (gewesen) sei, könne nicht stärker ausgestaltet sein als der einer Mutter, die ihren Anspruch "zusätzlich" auf die Nachwirkung ihrer geschiedenen Ehe stützen könne. Wer dies vertrete, knüpfe nachteilige Folgen für den Berechtigten allein an den Umstand, dass er mit dem Verpflichteten verheiratet gewesen sei; dies sei ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG.

Dieses Argument ist nicht leicht abzutun, greift jedoch nach Auffassung des Senats letztlich nicht durch.

Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Als wertentscheidende Grundsatznorm enthält Art. 6 Abs. 1 GG ein an den Staat gerichtetes Diskriminierungsverbot und Förderungsgebot. Nach dieser Bestimmung dürfen Verheiratete im Vergleich zu Ledigen nicht allein deshalb schlechter gestellt werden, weil sie verheiratet sind (BVerfGE 47, 1, 19 m.w.N.; 69, 188, 205; 75, 361). Da jedoch beide Ehegatten unter dem Schutz des Artikels stehen, kann eine Regelung (sei es durch Gesetz oder Richterspruch), die keine staatliche Eingriffs- oder Förderungsmaßnahme, sondern die Verteilung finanzieller Lasten im Innenverhältnis der (ggf. früheren) Ehegatten betrifft, nicht als Diskriminierung des Instituts der Ehe angesehen werden, weil sie das, was sie dem einen wegnimmt, dem anderen gewährt, die Ehegatten also "unterm Strich" nicht schlechter stellt als Unverheiratete. Werden die internen Rechtsbeziehungen zwischen Ehegatten oder früheren Ehegatten anders geregelt als zwischen Unverheirateten in ansonsten gleicher Lage, muss diese Ungleichbehandlung daher nicht der Prüfung nach Art. 6 Abs. 1, sondern (nur, aber immerhin) derjenigen nach dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) standhalten. Das ist der Fall, wenn für die Ungleichbehandlung sachliche Gründe von einigem Gewicht sprechen.

Gem. Art. 6 Abs. 4 GG hat jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft. Hieraus legitimiert sich sowohl der Unterhaltsanspruch aus § 1570 BGB wie der aus § 1615 I BGB. Ersterer rechtfertigt sich zusätzlich aus der grundsätzlich lebenslangen Bindung, die Eheleute mit ihrem Eheversprechen eingehen, Letzterer aus Art. 6 Abs. 5 GG, der gebietet, nichtehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie ehelichen Kindern. Der durch § 1615 I BGB gewährte Schutz kommt dem betreuten Kind aber nur mittelbar zugute, denn Anspruchsinhaber ist nicht das Kind, sondern der betreuende Elternteil. Dies rechtfertigt grundsätzlich eine Ungleichbehandlung der Ansprüche aus § 1570 und 1615 I BGB (vgl. BT-Drucksache 13/8511 S. 71 und BGH, FamRZ 1998, 426).

Diese Ungleichbehandlung findet sich im Gesetz in der Tat, allerdings in der Regel in Form einer Besserstellung des betreuenden Elternteils, der seinen Anspruch auf § 1570 BGB stützen kann (keine regelmäßige zeitliche Begrenzung des Anspruchs; Eröffnung von Anschlussunterhaltstatbeständen nach dem Ende der erforderlichen Betreuung; Möglichkeit der Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen über die Grenze des angemessenen Selbstbehalts hinaus; Wiederaufleben des nach Wiederheirat zunächst entfallenden Anspruchs gem. § 1586 a BGB nach Beendigung der nachfolgenden Ehe, allerdings mit vorrangiger Haftung des zweiten Ehemannes), während die Ablehnung der entsprechenden Anwendung des § 1586 Abs. 1, 1. oder 2. Alternative, BGB auf den Unterhaltsanspruch nach § 1615 I BGB diesen gegenüber einem nachehelichen Unterhaltsanspruch begünstigt. Hierfür Sachgründe von einigem Gewicht zu finden, ist sicher schwieriger als für eine Besserstellung des durch Ehe begründeten Unterhaltsanspruchs, die durch den Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität gerechtfertigt ist (BGH a.a.O.).

Nacheheliche Solidarität endet, wenn sie - nach Eingehung einer neuen Ehe durch den Unterhaltsberechtigten - durch eheliche Solidarität nunmehr eines neuen Partners abgelöst wird. Ist dies der Fall, könnte nur das Schutzbedürfnis des betreuten Kindes, nicht aber der Gedanke nachehelicher Solidarität, einen Fortbestand des Betreuungsunterhaltsanspruchs nach § 1570 BGB rechtfertigen. Für eine Besserstellung dieses Anspruchs gegenüber einem Betreuungsunterhaltsanspruch nach § 1615 I BGB gibt es dann keine Rechtfertigung mehr.

Dies allein rechtfertigt allerdings auch keine Schlechterstellung. Eine solche ist aber auch nur gegeben, wenn man die Rechtsfolge des § 1586 Abs. 1 BGB isoliert betrachtet. In der Gesamtschau ist der Unterhaltsanspruch nach § 1615 I BGB, wie bereits erörtert, soviel schwächer ausgestaltet als der nach § 1570 BGB, dass eine Besserstellung in einem einzelnen Punkt noch als Korrektiv einer insgesamt gegebenen Disprivilegierung und nicht als gleichheitswidrige Privilegierung dieses Anspruchs gesehen werden kann. Dies rechtfertigt nach Auffassung des Senats die Aufrechterhaltung des Anspruchs trotz Eheschließung des Berechtigten.

b) Der Bedarf der Klägerin ist ab Januar 2002, wie ausgeführt, mit 525,-- € monatlich anzusetzen. Ihr Ehemann verfügt nur über ein (belegtes) Erwerbseinkommen von rund 1.312,-- €. Dieses kann sich, im Jahresdurchschnitt gesehen, zwar noch erhöhen, wenn ihm Sonderzuwendungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) zufließen, doch solange dies nicht der Fall ist, kann er die Klägerin nur von dem ernähren, was er hat. Rücklagen aus Sonderzuwendungen früherer Jahre kann er nicht haben, weil er erst kürzlich ins Erwerbsleben eingestiegen ist.

Er ist mit Schulden von monatlich 126,-- € belastet und benötigt für den eigenen Bedarf mindestens den notwendigen Selbstbehalt von 840,-- €. Er ist also allenfalls in Höhe von 346,-- € leistungsfähig gewesen, solange das Kind K noch nicht auf der Welt war. Nach dessen Geburt vermindert sich das für die Klägerin verfügbare Einkommen des Ehemannes, weil dieser neben ihr das gleichrangige Kind mit unterhalten muss.

Damit hätte die Klägerin, selbst wenn man von einem Vorrang der Haftung des Ehemannes ab Heirat ausginge (so wohl OLG München a.a.O. für die Zeit des ehelichen Zusammenlebens), noch einen ungedeckten Bedarf von 189,-- €, der sich, wenn man ihr außerdem das hälftige Kindergeld bedarfsdeckend anrechnet, auf 112,-- € monatlich vermindern würde. Für einen höheren Unterhalt ist der Beklagte selbst, wie noch auszuführen ist, in den ersten fünf Monaten 2002 nicht leistungsfähig. Im Folgezeitraum erhöht sich seine Leistungsfähigkeit geringfügig, weil eine berücksichtigungsfähige Verbindlichkeit entfällt, doch ist auch die Klägerin in weitergehendem Umfang bedürftig, weil ihr Ehemann das verfügbare Einkommen sodann zwischen ihr und dem gemeinsamen Kind aufteilen muss. Deshalb bedarf das Rangverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Ehemann der Klägerin hier keiner Erörterung.

4. Somit entscheidet sich der Rechtsstreit im Bereich der Leistungsfähigkeit des Beklagten:

a) Die Leistungsfähigkeit bestimmt sich zum einen nach dem Erwerbseinkommen des Beklagten aus der von ihm tatsächlich ausgeübten, zumutbaren vollschichtigen Tätigkeit, zum anderen nach den berücksichtigungsfähigen Belastungen.

Das unbereinigte Erwerbseinkommen ist unstreitig mit 3.239,-- DM = 1.656,-- €. Dieses Einkommen wird jedoch geschmälert um berufsbedingte Aufwendungen, insbesondere Fahrtkosten zur Arbeit, die aus Sicht des Beklagten unvermeidlich erscheinen, weil der Beklagte nicht am Ort der Arbeitsstelle wohnt und ein Umzug angesichts der kurzen Entfernung unzumutbar erscheint. Ihm ist deshalb entgegen der Auffassung des Familiengerichts der Pauschalabzug für berufsbedingte Aufwendungen von 5 % zuzubilligen. Das berücksichtigungsfähige Erwerbseinkommen vermindert sich danach auf 3.077,-- DM = 1.573,-- €.

b) Unstreitig ist die Berücksichtigung des Darlehens bei seinem Schwager (nicht Vater, wie es im Urteil des Familiengerichts heißt) im Zusammenhang mit dem Erwerb des Führerscheins und des ersten Pkw mit einer Rückzahlung von monatlich 300,-- DM bis November 2001 und monatlich 200,-- DM ab Dezember 2001, das bis zum Ende des Unterhaltszeitraums nicht vollständig getilgt sein wird, des Darlehens bei der CC-Bank vom 06.08.1999 für die Anschaffung von Möbeln mit einer Rückzahlung von monatlich 214,-- DM bis Mai 2001, des weiteren Darlehens bei der CC-Bank für Möbelkauf aufgrund eines Vertrags vom 13.09.2000, das entsprechend der Einigung der Parteien vor dem Familiengericht mit monatlich 45,-- DM zu berücksichtigen ist und zwar vom Beginn der Laufzeit im Oktober 2000 (nicht schon im September) bis zum Ende im Mai 2002 und des gegenüber dem Anspruch der Klägerin vorrangigen Kindesunterhalts mit mindestens dem Zahlbetrag (hierzu näher unten c)

Der Senat hält auch die Rückzahlung der Prozesskosten aus dem Kindschaftsverfahren für berücksichtigungswürdig. Für die Berücksichtigung spricht, dass dem Beklagten nicht der Vorwurf gemacht werden kann, die Schuld leichtfertig verursacht zu haben. Angesichts der großen Tragweite von Statusentscheidungen ist es mehr als verständlich, wenn ein als Vater in Anspruch genommener Mann, der mit der Kindesmutter nicht zusammengelebt und somit nur beschränkten Einblick in ihren Lebenswandel gehabt hat, auf einer gerichtlichen Klärung der Vaterschaft unter Einschaltung eines Sachverständigen besteht. Die hierfür angefallenen Kosten hätte er nur durch ein freiwilliges Anerkenntnis vermeiden können, welches ihm ohne gutachterliche Klärung nicht zumutbar war.

Gegen eine Berücksichtigung spricht die Erwägung des Familiengerichts, dass die Klägerin, wenn man die beschränkte Leistungsfähigkeit des Beklagten hierwegen anerkennt, die Kosten des von ihr erfolgreich geführten Prozesses mittelbar doch zu tragen hätte, wodurch die Kostenentscheidung im Vorprozess konterkariert würde. Hiergegen lässt sich jedoch einwenden, dass die Regelung, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, vom Gerechtigkeitsgehalt her nur für die Fälle unmittelbar einleuchtet, in denen ihm eine Vermeidung des Rechtsstreits durch außergerichtliche Einigung möglich und zumutbar war. Das trifft auf den Beklagten nicht zu. Hinzu kommt, dass die Gerichtskosten und die Anwaltskosten der Klägerin nur den geringsten Teil der Kosten ausmachen, die der Beklagte insgesamt zurückzahlen muss. Der Löwenanteil sind die Gutachterkosten. Diese hätten den Beklagten auch getroffen, wenn er sich zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung auf eine außergerichtliche Klärung der Vaterschaft eingelassen hätte, und seine Leistungsfähigkeit während des gesamten Unterhaltszeitraums dauerhaft beeinträchtigt.

Schließlich gibt es beim Zusammentreffen von Unterhaltsansprüchen einerseits und prozessualen Kostenerstattungsansprüchen andererseits auch in verwandten Bereichen ähnliche Ungereimtheiten: Wer seinem Ehegatten oder Kind für einen gegen ihn selbst geführten Rechtsstreit in einer persönlichen Angelegenheit Prozesskostenvorschuss leisten musste, hat auch nicht schon deshalb einen Anspruch auf Rückzahlung desselben, weil er im Rechtsstreit obsiegt und dem Gegner die Kosten auferlegt werden (Göppinger/Wax/Vogel, Unterhaltsrecht, 7. Aufl., Rdz. 2623 m.w.N.).

Berücksichtigungsfähig ist auch die Verbindlichkeit, die der Beklagte eingegangen ist, um sich vom Wehrdienst in der Türkei "freizukaufen", denn die Alternative (Ableistung des Wehrdienstes) würde die Leistungsfähigkeit des Beklagten noch stärker beeinträchtigen, möglicherweise sie sogar auf Null herabsetzen. So gesehen, bestünde unterhaltsrechtlich sogar eine Obliegenheit, den für die Unterhaltsberechtigten weniger belastenden Weg zu wählen. Dass die Kosten derzeit tatsächlich von den Eltern des Beklagten vorgeschossen wurden, kann der Klägerin nicht zugute kommen, denn die Eltern wollen damit nur den Beklagten entlasten und nicht seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit zugunsten der Klägerin erhöhen. Es handelt sich um eine freiwillige Zuwendung Dritter, die allein den Zuwendungsempfänger begünstigen soll und seine Leistungsfähigkeit gegenüber solchen Unterhaltsberechtigten, die den Zuwendenden fern stehen und denen gegenüber auch keine verschärfte Unterhaltspflicht gem. § 1603 Abs. 2 BGB besteht, nicht berührt. Die Berücksichtigung von 200,-- DM monatlich entspricht der Abzahlung im Rahmen eines vernünftigen Tilgungsplans.

c) Der Kindesunterhalt kann, wie das Familiengericht zutreffend angenommen hat, nur mit dem Zahlbetrag abgezogen werden. Das hat zwar die Konsequenz, dass dem Beklagten das hälftige Kindergeld nicht zusätzlich zum angemessenen Selbstbehalt, der durch die Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin ohnehin nicht berührt werden darf, für den eigenen Lebensbedarf verbleibt. Dies entspricht aber der Billigkeit. Kindergeld zählt nicht ausnahmslos zum "unterhaltsfesten" Einkommen. Gem. § 31 S. 1 ESTG in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Familienförderung vom 22.12.1999 hat es eine Doppelfunktion. In erster Linie dient es der steuerlichen Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich des Betreuungsbedarfs; insoweit handelt es sich um nichts anderes als eine monatlich ausgezahlte Steuervergütung als Vorausleistung auf eine einkommenssteuerliche Entlastung, die der Ansatz des Kinderfreibetrages bei der Einkommenssteuerveranlagung bewirkt. Steuervergütungen zählen unterhaltsrechtlich zum Einkommen und beeinflussen jedenfalls die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners und die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten (Göppinger/Wax/Häußermann, a.a.O. Rdz. 748; die dort vertretene Auffassung, dass sich das Kindergeld insoweit auch bedarfserhöhend auswirkt, teilt der Senat allerdings nicht; sie widerspricht auch der Rechtsprechung des BGH, vgl. FamRZ 1997, 806).

Wenn und soweit das Kindergeld den Steuerpflichtigen gegenüber der durch den Kinderfreibetrag erzielbaren Entlastung besser stellt, ist es hingegen soziale Fördermaßnahme "zur Förderung der Familie". Insoweit muss es jedenfalls im Mangelfall, wenn also der Mindestbedarf der Unterhaltsberechtigten nicht anders gedeckt werden kann, zumindest gegenüber denjenigen Familienmitgliedern bedarfsdeckend eingesetzt werden, die vom Förderungszweck mitumfasst sind. Hierzu gehören jedenfalls das Kind, für welches das Kindergeld gewährt wird, sowie der (ebenfalls kindergeldberechtigte) Elternteil, der es betreut. Dies muss nach Auffassung des Senats auch dann gelten, wenn der Elternteil nicht zu den privilegierten Berechtigten gehört, also aus Sicht des Unterhaltsverpflichteten keine Obliegenheit besteht, ihm über die Grenze des angemessenen Selbstbehalts hinaus Unterhalt zu gewähren.

d) Hiernach ist der Beklagte für die einzelnen Zeitabschnitte des Unterhaltszeitraums wie folgt leistungsfähig (bis Ende 2001 in DM, danach in €):

Zeitraum |24.07. - 08/00 |09/00 |10-12/00 |01 - 05/01 |06/01 Einkommen bereinigt |3.077 |3.077 |3.077 |3.077 |3.077 Kindesunterhalt (Zahlbetrag) |0 |295 |295 |345 |345 Schwager |300 |300 |300 |300 |300 CC-Bank 1 |214 |214 |214 |214 |0 CC-Bank 2 |0 |0 |45 |45 |45 Schulden LOK | | | | |0 Wehrdienst | | | | |0 Selbstbehalt |1.800 |1.800 |1.800 |1.800 |1.800 Leistungsfähigkeit |763 |468 |423 |373 |587 Urteil Familiengericht |626 |581 |581 |581 |795

Zeitraum |07-10/01 |11/01 |12/01 |01 - 05/02 (in €) |ab 06/02 Einkommen bereinigt |3.077 |3.077 |3.077 |1.573 |1.573 Kindesunterhalt (Zahlbetrag) |360 |360 |360 |177 |177 Schwager |300 |300 |200 |102 |102 CC-Bank 2 |45 |45 |45 |23 |0 Schulden LOK |0 |150 |150 |77 |77 Wehrdienst |0 |0 |0 |102 |102 Selbstbehalt |1.960 |1.960 |1.960 |1.000 |1.000 Leistungsfähigkeit |412 |262 |362 |92 |115 Urteil Familiengericht |635 |635 |735 |376 |376

e) In diesem Umfang ist die Klägerin auch durchgehend bedürftig. Die Beträge, die der Beklagte bezahlen kann, sind deshalb als Unterhalt für die Klägerin geschuldet. Auf den Monat Juli 2000 entfällt zeitanteilig der Betrag von 197,-- DM. Für den Monat September 2000 ist der volle Kindesunterhalt abzuziehen, obgleich das Kind erst im Lauf des Monats geboren wurde, weil der Beklagte auch den vollen Kindesunterhalt bezahlt hat.

Die bis Dezember 2001 geschuldeten Beträge addieren sich auf insgesamt 7.721,-- DM. Hiervon abzuziehen ist der Teil der Gesamtzahlung von 8.000,-- DM, die der Beklagte im Oktober 2001 geleistet hat, welcher nicht auf den Kindesunterhalt bis einschließlich Oktober 2001 entfällt (ab November 2001 ist der Kindesunterhalt anderweitig tituliert). Das Familiengericht hat einen Differenzbetrag von 3.670,-- DM errechnet, der auf den Betreuungsunterhalt entfällt, weil es angenommen hat, der Beklagte habe den Kindesunterhalt für Oktober zusätzlich bezahlt. Die Klägerin hat dies jedoch in erster wie in zweiter Instanz bestritten, und der Beklagte hat hierfür keinen Beweis angetreten. Deshalb entfallen von der Gesamtzahlung von 8.000,-- DM nicht nur 4.330,-- DM, sondern 360,-- DM mehr, also insgesamt 4.690,-- DM auf Kindesunterhalt und nur der Differenzbetrag von 3.310,-- DM auf Betreuungsunterhalt für die Klägerin. Damit reduziert sich der Rückstand bis 31.12.2001 auf 4.411,-- DM = 2.255,-- €. Im ersten Halbjahr 2002 kommen 5 x 92,-- € + 1 x 115,-- € = 575,-- € hinzu, so dass sich der Gesamtrückstand bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf 2.830,-- € erhöht. Die bis September 2001 angefallenen Rückstände, für welche die Klägerin Verzinsung verlangt, sind im Urteilstenor gesondert ausgewiesen, die hierauf im Oktober geleistete Zahlung des Beklagten ist berücksichtigt.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 10, 543 Abs. 2 ZPO.

Die Fragen der entsprechenden Anwendung von § 1586 Abs. 1 BGB auf den vorliegenden Fall und der Einbeziehung des Kindergeldes bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit für Unterhaltsansprüche nach § 1615 I BGB sind von grundsätzlicher Bedeutung. Die Entscheidung des BGH, FamRZ 1998, 541, betrifft eine andere Fallkonstellation.

Ende der Entscheidung

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